Integrale Führung
Integrale Führung – Kennen Sie Claudia?
Kennen Sie Claudia? Claudia ist emotional, lacht viel, steht gern im Mittelpunkt. Sie redet gern mit unterschiedlichen Menschen, und sie findet bei der Arbeit alles spannend, was neu ist. Routine ist nicht so ihr Fall.
Claudia ist seit einiger Zeit Führungskraft. Wenn sie ihren Mitarbeitern Feedback gibt, ist das oft sehr nett und zugewandt. Gern gibt Claudia ihr Feedback in der Kaffeepause oder zwischendurch. Das sei nicht so ernst, sagt sie. Und Lockerheit gehöre einfach dazu. In Zeiten, in denen die flachen Hierarchien in Unternehmen an Bedeutung gewonnen haben, bringt Claudia mit ihrer zugewandten Art schon viel mit, was eine Führungskraft braucht.
Heiner ist erfahrener Coach, Facilitator und New-Work-Organisationsberater. Er ist der Initiator von Coaching Berlin Mitte und hat das Sensing the Essence Institut für Facilitation mitgegründet. Er begleitet Menschen dabei, wie sie mehr Authentizität, stärkere Selbstverantwortung und einen tieferen Sinn in ihrer Arbeit erfahren können.
Gern können wir ein unverbindliches und kostenfreies Erstgespräch vereinbaren: heiner.diepenhorst@coachingberlinmitte.de
Claudia möchte gefallen
Da geht noch was: Auf kritische Punkte geht Claudia aber eher oberflächlich ein, das Gute steht stets im Vordergrund. Wenn ein Mitarbeiter frustriert ist, vielleicht sogar ihretwegen, dann gefällt ihr das gar nicht. Das möchte sie in jedem Fall vermeiden, denn schlaflose Nächte wären in diesem Fall garantiert. Claudia liegen die persönlichen Befindlichkeiten ihrer Mitarbeiter sehr am Herzen – ein Grund, warum sie von vielen gemocht wird. Richtig schwierig wird es für sie jedoch, wenn sie Entscheidungen treffen muss, bei denen sie die Gefühle ihrer Mitarbeiter nicht – oder zumindest nicht nur – berücksichtigen kann. Dann kommt sie in einen Zwiespalt, der sie stark belastet.
Dirk ist anders
Es gibt auch andere Führungskräfte, zum Beispiel Dirk. Er arbeitet sehr gewissenhaft und checkt gerne alle Fakten. Er findet immer wieder einen guten Punkt, den es noch zu diskutieren gilt. Er ist kritisch und kann es sich erlauben, denn er kennt die Fakten. Klar hat er häufig auch Recht. Dirk kann seinen Mitarbeitern auch gut mal etwas zumuten, mehr noch, er kann ihnen sogar – wenn es die Situation fordert – auch etwas verweigern, ohne deswegen gleich schlecht zu schlafen oder ständig zu grübeln, ob er noch gemocht wird. Er kann das, weil er eine eher distanzierte Haltung hat, die sich einzig der Sachlichkeit und weniger den Gefühlen verpflichtet.
Warum so unterschiedlich? Während Claudia die emotionale Seite von Kontakt, Wertschätzung, Augenhöhe und einem partnerschaftlichen Miteinander beherrscht, ist Dirk eher auf professionelle Distanz gepolt, kann gut Konflikte austragen und hält es aus, wenn Mitarbeiter kurzfristig durch seinen Führungs- und Arbeitsstil frustriert sind.
Welcher Weg ist nun der richtige? Wäre es nicht hilfreich, beide Seiten leben zu können? Geht das überhaupt?
Die Pole, die eine Führungskraft im Optimalfall in sich vereinen soll, sind äußerst gegensätzlich. Nicht selten fühlt man sich als Führungskraft hin und hergerissen, weil man den einen Pol schlicht besser beherrscht als den anderen. Meist steht man genau dann vor einer enormen Herausforderung, wenn ein Teil des gegensätzlichen, nicht beheimateten Pols von einem verlangt wird. (Theorie und Übungen dazu gibt es in unserem offenen Führungskräftetraining in Berlin)
Dazu ein Beispiel: Wie bereits erwähnt, ist Claudia sehr emotional und wertschätzend, dafür hat sie Schwierigkeiten damit, klar und entschieden zu delegieren. Angenommen einer ihrer Mitarbeiter kommt häufiger zu spät und nette Bemerkungen nebenbei haben noch nicht gefruchtet, ahnt Claudia, dass eine Ansage her muss.
Die Lösung: Entwicklung zur integralen Führungskraft
Der Kommunikationsexperte Schulz von Thun spricht von der integralen Führung, wenn er meint, dass sich Chefs dem jeweils anderen Pol öffnen sollten. Um dieser Idee gerecht zu werden, müsste Claudia ihre seelische Komfortzone verlassen und den gegenüberliegenden Pol erobern, auch wenn er ihr noch sehr fremd vorkommt und sie eigentlich „einfach nur nett und nicht so der Typ für klare Ansagen ist“, wie sie sagt.
Im Konkreten bedeutet das: Claudia müsste zunächst einmal realisieren, welches Verhalten gerade von ihr gefordert wird, welches sie erfüllt und welches noch nicht. Vermutlich würde sie dann erkennen, dass sie es in dieser Situation ihrem Mitarbeiter nicht recht machen kann und sollte.
Fokus auf das innere Team
Damit Claudia leichter Grenzen aufzeigen kann, schlägt Schulz von Thun nun folgende Methode vor, er spricht vom inneren Team, das jeder Mensch in sich trägt:
- Jeder kennt ja verschiedene Anteile und Stimmen in sich, wenn man sich zum Beispiel für oder gegen etwas entscheiden muss.
- Schulz von Thun ordnet diese Stimmen spezifischen Teammitgliedern zu: Es gibt das vernünftige Teammitglied, das kritische, ein optimistisches, ein ängstliches usw.
- In Claudias Fall hieße das, sie sollte sich ein inneres Teammitglied zur Verstärkung holen, das auch mal mit lauter Stimme Nein sagen kann. Ein Teammitglied, das auf Dirks Pol beheimatet ist, sich der Sachlichkeit verpflichtet und in dieser speziellen Situation nicht nach den Befindlichkeiten fragt, sondern in der Lage ist, professionelle Distanz und Klarheit über die eigene (Führungs-)Rolle zu bewahren.
Die anderen Teammitglieder werden sicher nicht verstummen. Sie bringen Einwände nach dem Motto: „Sei nett“, „Das darfst Du nicht“, „Du bist kalt“ usw. Das ist auch völlig in Ordnung, denn es geht hier nicht darum, Teammitglieder zu verbannen oder auszuschließen, weil jedes Teammitglied stets einer guten Absicht folgt. Jedoch: Der verständnisvolle Anteil in Claudia, der es allen recht machen will, sollte in dieser Situation – bei allem Respekt – nicht zum Spielführer werden. Das ist herausfordernd, aber möglich. Mit dem nötigen Bewusstsein für sich und andere und mit der Bereitschaft, sich zu weiterzuentwickeln und sowohl als Mensch als auch als Führungskraft zu wachsen. Ein Führungsstil ist nicht statisch, sondern im Gegenteil, sehr flexibel.
Zusammenfassend
Der integralen Führung verpflichtet sich die Person, die:
- Weiß, was ihre Stärke ist
- Den anderen Pol anerkennt (auch wenn Menschen, die diesen repräsentieren, anstrengend zu sein scheinen und nicht dem eigenen Wesen entsprechen)
- Sich der anderen Seite öffnet und einige (nicht alle) Verhaltensweisen der anderen Seite – stimmig – einübt, nach dem Motto: Fake it until you make it
- Die verschiedenen Positionen und Pole der Mitarbeiter (an)erkennt, fördert und auch ihnen hilft, sich der anderen Seite zu öffnen.
Wer seine Fähigkeiten in integraler Führung reflektieren und trainieren möchte, für den ist unser Führungskräftetraining in Berlin empfehlenswert.
Gern können wir ein unverbindliches und kostenfreies Erstgespräch vereinbaren.
Ihr Ansprechpartner
Heiner Diepenhorst
Teamentwicklung, Faciliation, Organisations-Aufstellung, New Work, Führungskräfte-Entwicklung, Ausbildung